Abstract zu Heft 8:

Zur DDR-Literatur im Zeitalter der wissenschaftlich-technischen Revolution (1955-1971)

Autor: Carl Wege

Februar 1996

Materialien und Ergebnisse aus Forschungsprojekten des Instituts

Mit dem ‚Sputnik‘ (1957) verband sich einst die Hoffnung bzw. die Befürchtung, daß die Sowjetunion den Westen auf dem Gebiet der Technik ‚überholen‘ werde. „Die frühere Vermutung, die USA seien technisch überlegen […], erwies sich als Irrtum“, konstatierte noch 1968 der westdeutsche Soziologe Karl Steinbuch (Falsch programmiert, S. 64). Für die Epoche, die mit dem erfolgreichen Start des sowjetischen Satelliten eingeleitet wurde, prägte man im sozialistischen Lager den Begriff „wissenschaftlich-technische Revolution“ (WTR). Ihr verschrieben sich nicht nur die Politiker des Ostblocks, sondern ebenso ein Großteil der Literaten – nicht zuletzt auch in der DDR. Während eine ‚gemäßigte‘ Autorin wie Christa Wolf lediglich danach strebte, einen Ausgleich zwischen ‚Seele‘ und ‚technischem Fortschritt‘ herbeizuführen, redeten radikale WTR-Anhänger in ihren kommunistischen Zukunftsvisionen einer perfekt durchrationalisierten ‚Kahlschlagmoderne‘ das Wort (vgl. dazu Peter Gosse, Karl-Heinz Jakobs u.a.). Sie standen in einer Traditionslinie, die sich bereits im frühen 20. Jahrhundert herausbildete und als ‚literarischer Technikkult‘ bezeichnet werden kann. Auffallend ist, daß die WTR-Schriftsteller – im Gegensatz zu den Vertretern der klassischen Avantgarde – darauf verzichteten, für ihren neuen Gegenstand – Wissenschaft und Technik – eine neue ästhetische Form zu entwickeln. Sie blieben weitgehend konventionellen Schreibmustern verpflichtet.

Die vorliegende Studie steht in einem engen thematischen Zusammenhang mit Wolfgang Emmerichs Aufsatz „Die Technik und die Kehre“. Affirmation, Protest und Regression im literarischen Technikdiskurs der DDR, in dem der Autor anhand von Texten von F. Fühmann, Chr. Wolf und V. Braun „über einen Zeitraum von 20, 25 Jahren den Umschlag vom Technikult zum (zumindest partiellen) Technikverdikt“ darstellt (in: Emmerich und Wege [Hg.]: Der Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-Ära, Stuttgart und Weimar 1995, S. 231-254).

Abstract

The ‚Sputnick‘, successfully launched in 1957, also ‚launched‘ the idea that the Soviet Union may outpace Western Countries on the field of technology. Even 11 years later, in 1968, the West German sociologist Karl Steinbuch statet „the earlier assumption of US superiority proved to be wrong“ (Falsch programmiert, p. 64). The new era opened by a satellite Soviet Marxists called „Scientific and Technological Revolution (STR)“. Not only communist politicians but also the vast majority of writers and novelists – especially East German writers and novelists – were devoted to this revolution. While a moderate author like Christa Wolf was looking for a way to reconcile the ‚human soul‘ with ‚progress‘, the more radical supporters of ‚STR‘ were in favor of a extremely rational version of modern civilization (see e.g. Peter Gosse, and Karl-Heinz Jakobs). They continued a tradition that can be traced back to the early 20th century and which may be referred to as ‚literary cult of technology‘. In opposite to the exponents of the modern vanguard the East German writers supporting ‚STR‘ hardly ever tried to develop new aesthetics for their new subject (science and technology). They stuck to conventional ways of writing.

The essay printed in this booklet is narrowly connected with an essay Wolfgang Emmerich published earlier this year: „Die Technik und die Kehre“. Affirmation, Protest und Regression im literarischen Technikdiskurs der DDR, in: Emmerich and Wege (Editors): Der Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-Ära, Stuttgart and Weimar, 1995, pp. 231-254.

Carl Wege